Mein zweiter Reisetagebuch-Eintrag aus den USA. Dieses Mal mit der Seattle Edition und einem Oster-Bonus.

Hier geht es zum ersten Teil des Reisetagebuchs: Portland-Edition. Wer zu faul zum lesen ist, kann sich auch die von mir vorgelesene Version anhören. Nach den Fotos gibt es noch den Oster-Bonus.

Spann' den Schirm auf.

Nach dem Portland-Trip steht der Besuch in Seattle an. Die Metropole liegt nur 30 Minuten mit dem Auto von unserem Wohnort entfernt. Da wir kein eigenes Auto haben und somit auf Zs Familie angewiesen sind, fahren wir mit der S-Bahn (Linkrail) und buchen ein Hotel für einen längeren Aufenthalt.
Los geht’s in Chinatown, das in Chinatown, Japantown und Little Saigon gegliedert ist. Als bekennende Supermarkt-Touristin steht der japanische Markt ganz oben auf der Liste. Vorm Einkaufs-Bereich gibt es eine Menge Essensstände. Der „Oah, ich liebe Streetfood, weil so authentisch“-Typ würde sich hier gar nicht mehr einkriegen. Japantown lassen wir hinter uns und laufen Richtung vegan-vietnamesisches Deli. Die Straßenschilder sind sowohl auf Englisch wie auch auf Vietnamesisch, ein Bekannter hatte Recht, als er sagte, dass dieser Teil Seattles wie ein kleines Vietnam in Amerika ist. Im Deli angekommen essen wir die besten Banh Mi. Auf der Karte steht, dass Studierende mit einem GPA über 3.5 (also 1,5 in Deutschland) 25% Rabatt auf alles bekommen. Die Regel verwundert mich überhaupt nicht.

Es heißt, dass Seattle 300 Regentage im Jahr hat. Wir erwischten eher Aprilwetter: Tagsüber im T-Shirt, abends im Regen. Wir spannen unseren Schirm auf und Z sagt, dass wir uns damit als Touristen outen. Hier hat jede*r eine feste Regenjacke und stört sich gar nicht dran. Im Gegenteil. Der Regen wird stärker und die Leute fröhlicher. Sie joggen, sie planschen in den Pfütze.

Waterfront

Wir entscheiden uns diesen Seattle-Trip touristisch zu halten und klappern mit unserem City Pass alle möglichen Sehenswürdigkeiten ab. Los geht’s am Pike Place Market, einem täglichen Farmer’s Market, auf dem wirklich alles mögliche gekauft werden kann, da er sich in Stände und Shops gliedert. Das Highlight scheint ein Fisch-Stand zu sein. Seattle ist bekannt für sein Seafood. Eine große Menschenmenge sammelt sich um den Fischstand und zückt die Handys. Ich frage mich, was daran so besonders sein soll und bekomme die Antwort mit einer Showeinlage. Immer dann wenn jemand einen der wirklich riesigen Fische kauft, werfen die jungen Verkäufer sie sich hin und her und singen dabei. Alle finden das Fish Throwing toll. Ich frage mich, ob einer der Verkäufer schon mal k.o. geschlagen wurde. So ein Lachs wie er dort verkauft wird, wiegt ja bis zu 8 kg. Oder aber ob ein Fisch schon mal runtergefallen ist.

Unseren Waterfront-Tag führen wir mit einem Harbour Cruise und dem Besuch im Aquarium fort. Ich gehe nie in Zoos (außer einmal für meinen Bruder), konnte mich aber überzeugen lassen, dass das Aquarium ganz anders ist. Im Gegensatz zu herkömmlichen Zoos, wo die Tiere extra hingebracht werden, ist das Aquarium ein Forschungscenter, welches vor allem über den Puget Sound, also die Meeresbucht, aufklärt. Bildung wird hier großgeschrieben, immer wieder wird erklärt, was Besucher*innen im Alltag für den Umweltschutz tun können. Außerdem werden dort Tiere beherbergt, die nicht mehr in der Natur leben können. Das wären z.B. ein am Flughafen gefundener Otter oder verwaiste Robben aus Alaska. Wer hätte gedacht, dass mich ein Meeresaquarium mal so beeindruckt.
Wie es sich für Seattle-Touris gehört, fahren wir auch die Space Needle rauf. Von weitem sehen ich eine Familie in Funktionsjacke – im Nordwesten nichts Ungewöhnliches. Die Kombi aus Brustbeuteln, Trekkingschuhen und Basecap enttarnt sie allerdings. Mama Dagmar freut sich, dass sie bei Starbucks ihren Namen richtig auf den Becher geschrieben haben. Man ist wirklich nirgends sicher.

Popkultur und Yuppie-Flair

Seattle und Portland sollen die hipsten Städte der USA sein und wir können den direkten Vergleich machen. Zs bester Freund sagt, dass das urbane schon längst einem Yuppie-Flair gewichen sei. Alles glatt und modern. Vor allem für die ansässigen Firmen wie Amazon, Starbucks, Boeing usw. ein interessanter Wirtschaftsstandort. Google habe erst ein neues Center aufgemacht, Amazon baut Downtown Glasbüros. Da unser Hotel auch mitten im Stadtzentrum liegt, wird es Zeit, sich in den alternativen Nachbarschaften umzuschauen. Capitol Hill verspricht nicht zu viel. Franchises weichen den Bars, Kneipen und Second Hand-Shops.

Unser letzter Punkt auf der Touristen-Liste ist das MoPop, Museum für Popkultur. Wir nutzen unseren City Pass mit vergünstigtem Eintritt. 20 $ Eintritt sind ein ganzer Batzen und in Deutschland für ein Museum unvorstellbar. Anders als in Deutschland, werden Museen hier aber nicht staatlich gefördert. Neben der Bildung wird deshalb auch die Unterhaltung ganz großgeschrieben. Im Museum für Popkultur sowieso. Natürlich bekommen die aus Seattle stammenden Musiker ihren eigenen Bereich. Da wären Jimi Hendrix und seine Gitarren, selbstverständlich Kurt Cobain und die Geschichte des Grunge. Mit Macklemore hat man einen neuen Sohn der Stadt gefunden. Thriftshop läuft auf einer riesigen Leinwand. Das Mopop bietet außerdem Ausstellungen über die Seahawks, Horrorfilme, Fantasy und Indie Games. Alles ist interaktiv, zum anfassen, reinhören, selbst spielen. Mit der Monorail, einer Bahn, die nur zwischen der Space Needle bzw. den ansässigen Museen und Downtown hin und herfährt, geht es dann zurück zur S-Bahn. Nachdem wir insgesamt fast 30 km gelaufen sind, gönnen wir uns die zweiminütige Fahrt über den Dächern der Stadt. Seattle, das war schön.

Bonus: Ostern

Mir bedeutet Ostern nicht besonders viel. Ich fahre nicht mal extra dafür zu meiner Familie, da wir alle keine Nester mehr suchen und sowieso niemand gläubig ist. Seitdem ich Veganerin bin, kaufe ich auch nicht mal mehr diese Milka-Eier mit Füllung, die ich als Kind so geliebt habe. Umso überraschender für mich, als Zs Eltern zum Osternester suchen rufen und ich kurz darauf mit einem Nest voller Süßigkeiten und Rubbellose auf der Couch sitze. Hier gibt es übrigens keine blöden gekochten Eier. Stattdessen bekommt man Plastikeier, die mit Spielzeug und/oder Geld gefüllt sind. Das mit den Rubbellosen ist so eine Tradition bei Zs Familie. Jede*r bekommt vier oder fünf Stück und während Z und sein Bruder zusammen fast 100$ freirubbeln, komme ich auf stolze 5. Wenigstens was. Die Freude darüber, seit Jahren mal wieder ein Nest gesucht zu haben, hält eh länger.
Nachmittags geht es zur Osterparty, für die wir vorher backen und kochen. Mein erstes amerikanisches Ostern und mit der ganzen Familie. Z sagt, dass bestimmt so 25-30 Leute da sein werden. „Hey Nhi, we know each other from Facebook“ sagt seine Tante und auch mit den anderen läuft es als hätte man sich erst letzte Woche gesehen. Herzlichkeit, überall Herzlichkeit. Jede*r mag das vegane Essen, das wir mitgebracht haben, ich wiederum mag das Obst, das man in Peanutbutter-Karamellsoße dippen kann. Die Kinder suchen im riesigen Hof ihre gefüllten Plastikeier und sammeln sie in kleinen Nestern. Schon irgendwie cooler als so ein hartgekochtes Ei.

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