Ich hab mit Jäger & Sammler ein Video über das Mädchenbild in der Bravo Girl! gemacht und checke jetzt die „Argumente“ aus der Kommentarspalte.

Als ich vor ein paar Wochen im Konferenzraum des UFA Labs saß und wir über mögliche Themen für meine erste Jäger & Sammler-Episode redeten, kam die Sprache zufällig auf meine Bachelorarbeit. Wie öfters mal auf diesem Blog zu lesen war, habe ich darüber geschrieben wie Bravo Girl! und Glamour ihren Leserinnen Selbstbild und Sexualität vermitteln. Plötzlich stand der Inhalt der BA als Video-Thema im Raum. Was dabei rauskam, kann man unten anschauen und seit der Veröffentlichung ist viel passiert.

Innerhalb von 3 Tagen mehr als 600k Aufrufe auf Facebook, 14k Views auf YouTube – ich freu mich, dass das Video so gut ankommt und sich Leute fernab von meinem Vortrag und Science Slams, mit dem Thema auseinandersetzen. Im Video geht es nur um die Bravo Girl! selbst. Fest steht aber, dass sie nur ein Symptom einer sexistischen Medienlandschaft ist. Zu verkürzt wäre es, sich über Flirttipps, Foto-Love und co. aufzuregen, nicht aber andere Formate und letzten Endes auch den gesellschaftlichen Kontext zu betrachten. Niemand glaubt doch ernsthaft, dass einzig und allein Magazine Mädchen ein derart einseitiges Bild vermitteln, oder? Na eben.

Sich die Magazine rauszunehmen, ist ein medienpolitischer Ansatz. Klar, dass Trolle und selbsternannte Expert*innen trotzdem „Gegenargumente“ finden. Ich hab mich durch ein paar Kommentare geklickt (oh Gott, warum eigentlich), um sie hier zu entkräftigen bzw. um zu kontern. Und los.

„Es gibt doch andere Jugendmagazine - die GEOlino!“

Hier wird argumentiert, dass es Alternativen gibt, auf die die Zielgruppe ausweichen könnte. Das ist aber falsch. Der deutsche Printmarkt bietet kein emanzipatorisches Format an, das eine junge Leserinnenschaft stärkt. Hefte wie GEOlino oder Dein Spiegel sind super, aber widmen sich eben nicht hauptsächlich der Lebenswelt von Mädchen und jungen Frauen.

„Klar, dass über Schminke und Mode berichtet wird. Man bringt, wonach gefragt wird.“

Absolut nichts spricht dagegen, sich für Schminke und Mode zu interessieren. (Werbeblock: Diese Woche kommt noch ein Posting über veganen Lippenstift, yay.) Sich gern zu schminken und für Mode zu begeistern, ist ein guter Weg, um sich selbst zu gefallen – nicht aber um Jungs zu beeindrucken. Selbstoptimierung zugunsten der Aufmerksamkeit von Außenstehenden, besonders von Jungs und später Männern, ist aber wesentlicher Bestandteil von Mädchen- und Frauenmagazinen. Es geht nicht um die Leserinnen selbst, nicht um das eigene Selbstwertgefühl. Klar, darf man nicht außer Acht lassen, dass immer Magazine aus wirtschaftlichen Gründen Produkte vorstellen. Das ist ein ganz eigenes Thema. Wird aber z.B. über neues Make-Up geschrieben, sollte nicht der vermeintliche Zuspruch von Jungs, sondern das Gefallen an sich selbst im Mittelpunkt stehen.

„Jungs werden da aber auch einseitig dargestellt. Die wollen gar nicht so angeflirtet werden!“

True. Auch Jungs werden Klischees zugesprochen und auch das ändert sich nicht bei der nächsten Zielgruppe in den Frauenmagazinen. Dass Männer immer stark sein müssen, ist genau so ein Rollenbild, wie das der oberflächlichen, schwachen Frau. Die Diskussion verschiebt sich allerdings, wenn wieder nur über Jungs gesprochen wird. Whataboutism, ick hör dir trapsen.

„Die Flirttipps sind für Jugendliche, wie albern, dass eine Erwachsene sie nachstellt.“

Oh danke, dass mir hier das Erwachsensein zugestanden wird, sehr nett. Wir haben die Flirttipps ausprobiert, um zu zeigen, wie albern und erniedrigend sie sind – egal wie alt man ist. Indem die Mädchen die Tipps vorlesen, wird nochmal verstärkt, in welch jungem Alter bereits Anpassung und Verstellen als gute Methode vermittelt wird. Derartige Vorschläge sind gerade in der Pubertät verunsichernd. Die Forscherin Renate Luca, hat bereits in den 90ern festgestellt, dass Medien „Identitätszwänge für die weibliche Entwicklung“ vermitteln und von Jugendlichen eine „Anpassungsleistung“ an die männliche Sexualität vermittelt wird. Allein durch die Flirttipps ist abzuleiten, dass sich daran nichts geändert hat.

Einmal mit dem Thema angefangen, könnte ich eine Menge dazu äußern – mehr als in ein Video oder einen Blogeintrag passt. Wie gesagt, ich freue mich, dass sich durch das Video ein breites Publikum mit der Thematik beschäftigt (sehr sehr). Falls mehr Interesse besteht, bucht mich doch mit meinem Vortrag – elegante Werbung, i know. Ansonsten behaltet auf jeden Fall die Seite von Jäger & Sammler im Auge, da die Tage noch mehr Content und Fakten zum Thema kommen werden.
An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön an all die Menschen in meiner Timeline, Newsseiten, Blogs und FB-Pages, die das Video geteilt oder sogar darüber berichtet haben. Danke Süddeutsche, jetzt, ze.tt, Frauenkultur, Leipziger Referat für Frauen und Gleichstellung, Slam Alphas, meedia, Tag24, Express, Berliner Zeitung, usw usf.

10 Comments

  • Christoph sagt:

    Eins vorab. Wenn das Video zu einer Diskussion über das, in Zeitschriften vermittelte, und damit auch zur einer Reflektion des Rollenbildes der Frau in der Gesellschaft führt, hast Du schon eine Menge erreicht.

    Das Thema der Rollenbilder ist ein extrem vielschichtiges und komplexes. Meiner Meinung nach werden wir hier in diesem Jahrhundert (sic!) noch einiges an Arbeit vor uns haben.

    In der Sache selbst sind die vermittelten Rollenbilder freilich großer Käse. Dieses unzeitgemäße und alberne Weltbild und dessen Vermittlung darf, kann und sollte man kritisieren. Wie absurd es ist, zeigt das überzeichnende Video gut.

  • Christoph sagt:

    Man muss sich jedoch eine grundsätzliche Frage stellen, die sowohl in philosophischer (theoretisch u. praktisch) sowie medienkritischer Hinsicht alles andere als trivial ist oder als selbstverständlich vorausgesetzt werden könnte.

    Wer ist die Leserin solcher Zeitschriften? Wie ernst nimmt sie solche Weltbilder? Wie kritisch und mündig ist sie? Wie wirken sich dieser Weltbilder auf das Weltbild aus?

    Zunächst einmal stellte sich mir die Frage, ob und wer diese Zeitschriften tatsächlich liest. Wahrscheinlich wirst Du das in Deiner Bachelorarbeit (die mich überhaupt sehr interessiert) abhandeln bzw. auf entsprechende Quellen verweisen.

    A priori würde ich jedem Mädchen die Fähigkeit zusprechen, ihren Verstand in angemessener Art und Weise einzusetzen und kritisch nachzudenken.

  • Christoph sagt:

    Nehmen Mädchen solche Zeitschriften und vor allem den vermittelten Käse wirklich ernst? Oder ist es Entertainment, welches durch die Realität letztlich überholt ist oder wird? Handeln denn Mädchen, welche die Zeitschriften lesen, dann in praxi wirklich so naiv und dumm, wie sie dargestellt werden? Gibt es da eine Kausalität? Mir persönlich fällt es schwer, das zu glauben. Zumal man sich umgekehrt fragen müsste, ob und wie sich das auch reziprok verhält: spiegelt eventuell die Auswahl der Zeitschrift und die Neigung, etwaige Weltbilder als gegeben hinzunehmen nicht bereits genau das vermittelte Weltbild wieder? Bestimmt nicht das Sein das Bewusstsein?

    Denn damit legen wir den Finger in die Wunde und es stellt sich die – viel essentiellere – Frage: Wie kann man es denn besser machen und damit eine relevante Veränderung erzielen?

    Die Frage wird viel weiter: In was für einer Gesellschaft leben wir und in welcher wollen wir Leben?

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