Gedanken der Woche go Urlaubstagebuch. Meine erste Woche im pazifischen Nordwesten der USA.

Für den Urlaub habe ich nicht geplant, ganz genau zu erzählen, was ich an welchem Tag gemacht habe und dann vielleicht noch Guides zu erstellen. Stattdessen will ich lose über Eindrücke und Erlebnisse schreiben und hab mir gedacht, dass ich aus den Gedanken der Woche einfach vier Urlaubs-Editionen mache. Die klassisch Stichpunkt-Struktur weicht somit längeren Texten. Mit dabei: Gedacht, gegessen, gesehen, gewesen, gelesen usw. usf.

Für alle, die lieber hören als lesen: Hier kann man sich den Text auch von mir vorlesen lassen.

Der Flug

Ich bin aufgeregt, mega mega aufgeregt. Nicht nur, dass ich seit Ewigkeiten nicht im Urlaub war, ich war auch noch nie in den USA. Wir besuchen Zs Eltern und reisen im pazifischen Nordwesten herum. Im Lufthansa-Flieger ist es eng, ich bin von Vietnam Airlines zu verwöhnt. Das Essen ist unheimlich gut, die Filmauswahl besser als das was die Leipziger Arthouse-Kinos derzeit zu bieten haben. 11 Stunden Flug, ich gerate an einen Arschloch-Grenzpolizisten, das Gepäck hat Verspätung, aber im Truck seines Vaters angekommen, ist dann endlich alles gut. Hallo vier Wochen Urlaub.

Netflix, Katzen, Eiscreme

Wir wohnen nicht direkt in Seattle, sondern in einer kleinen Stadt in Pierce County. Ein Vorort, in dem es wirklich nichts zu tun gibt und mir wird klar, warum jede*r ein Auto hat, wenn man nicht mal zum Supermarkt laufen kann. Alles ist wahnsinnig weit auseinander. Eigentlich kommt der langweilige Ort gelegen, denn so bin ich gezwungen, auch mal nichts zu tun. Seit 1,5 Jahren keinen Urlaub gemacht (2016 – Bachelorarbeitsjahr) und vor allem im März keinen freien Tag gehabt. Kampfansage an die innere Antreiberin und irgendwie klappt es. Regnerische Tage, haufenweise Katzen und ein Netflix-Abo helfen beim Entspannen. „Postest du jetzt eigentlich nur noch Katzenbilder?“ heißt es auf Instagram. Nee, es wird auch weggefahren.

Portland: Hipster, Hippies, Homeless

Für unseren ersten Trip haben wir uns Portland ausgesucht. Mit dem Zug soll es in die Stadt gehen, die von jeder Seite als über-hip betitelt wird. Da der Dauerregen aber einen Erdrutsch an den Gleisen verursacht hat, müssen wir auf Busse ausweichen – oh Gott. Es stellt sich aber heraus, dass der Bus extrem komfortabel ist und im Vergleich dazu der Flug einmal mehr als Sardinenbüchse dasteht. Bei der Ankunft fällt auf, dass Obdachlose das Straßenbild prägen. Homeless people instead of hipsters. Kleine Zeltdörfer, Schlafsäcke unter jeder Brücke, lange Schlangen vor dem Heim in Downtown. Es kommt die Frage auf, ob jeder schicke Portland-Bericht das verschweigt oder wir einfach im falschen Bezirk sind. Beim Rumlaufen wird allerdings klar, dass eher ersteres zutrifft. In einem Bericht lese ich, dass im Staat Oregon nicht unbedingt mehr Obdachlose leben als in Washington State, der Unterschied ist nur, dass sie hier wirklich auf der Straße leben müssen, da es so gut wie keine Heime gibt. Für mehr Verständnis dazu, empfehle ich diese Reportage, geschrieben von einer Obdachlosen in Portland. Der Text ist auf Deutsch.

In unserem dreitägigen Trip fahren wir durch alle möglichen Stadtteile, sitzen manchmal bis zu 50 Minuten im Bus, um Dinge von unserer Liste zu sehen. Gutes Wetter ist im pazifischen Nordwesten keine Selbstverständlichkeit, aber wir haben es gut abgepasst. Wir essen uns durch die wirklich sehr veganfreundliche Stadt. Mit dabei das beste herzhafte Frühstück, traditionell amerikanisch, berühmte Donuts, die einen Zuckerschock verursachen und Chicken-Sandwich aus Gemüse.

Schon im Vorfeld erzählt mir mein Freund, dass mich der Service und die Freundlichkeit umhauen wird, gerade im pazifischen Nordwesten. Er behält recht, denn während in Deutschland dir jede*r Zweite das Gefühl gibt, von dir genervt zu sein, ist man hier offen und nett. Jedes „Have a good one“ beim Verlassen eines Cafés, Ladens oder Busses überrascht mich immer wieder positiv. Die Portlander sind wirklich gut drauf. Bei Powell’s City of Books, einem Buchladen auf 6000m2 mit mehr als einer Millionen Büchern, entgegnet mir die Verkäuferin sogar, ich könnte mein Kleingeld behalten, es sei ja genug in der Trinkgeldbox. Dazu kommen die kleinen Momente, die besonders Spaß machen. Dann wenn im Supermarkt (ich bin eine Supermarkt-Touristin) alles so ordentlich aufgestellt ist oder man nach einem langen Tag im Kingsize Bed Foodnetwork schaut.

In der Mississippi Avenue und dem Alberta Arts District wird dann klar, was alle mit „Hipster-Paradies“ meinen. Schicke Cafés, Mikrobrauereien und Second Hand Shops reihen sich aneinander. Diese Nachbarschaft sieht völlig anders aus als der Rest. Ich begegne keinen Obdachlosen, stattdessen genießen junge Menschen ihre glutenfreien Kekse in Cafés, die fast ausnahmslos Schilder wie „Refugees welcome“ oder „Diversity is celebrated“ an der Tür hängen haben. Manchmal auch beides. Z erinnert mich daran, dass Großstädte meist liberal sind, aber vor allem der PNW mit Seattle und Portland als Hochburg bezeichnet werden kann. Passend also, dass in den öffentlichen Verkehrsmitteln Statements hängen, die besagen, dass hier niemand aufgrund von Hautfarbe, Religion oder Geschlecht diskriminiert wird und Gegenteiliges sofort der Verkehrsgesellschaft gemeldet werden soll. Ich bin wieder überrascht. Unweit davon hängt eine Anzeige für „pretty and affordable homes“. Der Kontrast zeigt sich wieder, nutzen doch vor allem ärmere und obdachlose Menschen den ÖPNV, da alle anderen ein Auto haben. Wir ziehen an der gelben Strippe, um an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Beim Rausgehen rufen wir „Thank you“, die Fahrerin „Have a good one.“ Das ist hier ganz normal.

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