Das ZeitPunkt-Magazin wird es in der Art, die wir kennen, nicht mehr geben. Ein kleiner Abschied und ein kleiner Rant.

Alles lief wie immer. Ich sammelte meine Ideen, durchstöberte Veranstaltungen, über die gerne schreiben würde, sendete sie Sarah, unserer Chefredakteurin, um sie nochmal bestätigen zu lassen. „Es kann sein, dass es den ZP mit mir bald nicht mehr gibt. Das entscheidet sich im Laufe der Woche.“

Bum. Zuerst kam der Gedanke, dass das nicht sein könne, irgendwie bekommen die im Verlag schon die Kurve oder wollen sie das Projekt einfach gegen die Wand fahren? Wie wäre es denn wenigstens mit Freelancing, wobei eine Chefredakteurin als freie Mitarbeiterin schon komisch wäre, aber sei’s drum. Ein paar Tage später kam dann eine Voicemail. Der Verlag hat sich gegen eine Vertragsverlängerung für Sarah entschieden und so geht mit dem ZeitPunkt nicht nur mir persönlich, sondern auch der Stadt eine Menge verloren.

Verlust für Leipzig

Es gibt viele kostenlose Stadtmagazine, aber der ZeitPunkt stach eben raus. Nicht umsonst brannte ich so für dieses Heft, denn neben dem zeitgemäßen Layout und den ansprechenden Covern, konnten vor allem die Inhalte punkte. Beschrieb ich jemandem das Magazin, fielen immer wieder die Schlagworte Pop- und Subkultur und Politik.
Wir kamen ganz ohne Partyfotos aus (wobei die wahrscheinlich ihre Daseinsberechtigung haben, aber eben einfach nicht zu unserer Vorstellung von Stadtgeschehen passen) und packten auch keine unübersichtliche und fragwürdige Werbung auf die Seiten. Stattdessen wurde sich kritisch mit Events auseinandergesetzt und auch subkulturelle Stimmen wurden laut, also genau diese, die eine Stadt fernab von City Marketing ausmachen. Bizarre Vorfälle fanden genauso ihre Schilderung wie Erlebnisberichte oder Empfehlungen. Hinzu kommt eine politische Haltung und daraus resultierende Artikel, die man bei anderen kostenlosen Stadtmagazinen vergeblich sucht. Klar, eine große Redaktion u.a. bestehend aus Feminist*innen, Women of Color, Aktivist*innen und co. bringt eben auch Diversität in die Artikel. Einfach traurig, dass Leipzig dieses Medium nun verloren geht.

Ein Hoch auf die Redaktion und die Chefredakteurin

Denke ich an die redaktionelle Zusammenarbeit, komme ich ins Schwärmen. Innerhalb der Redaktion hatte ich z.B. nie das Gefühl wegen meines Alters unterschätzt zu werden. Während andere gern Erfahrung und bisherige Arbeiten übersehen und lediglich eine Zahl im Fokus steht, ging es mir hier nie so, schließlich kam es auf den Content an. So gab es immer genug Seiten im Heft für Ideen oder sogar die Etablierung einer neuen Reihe. Durch die Arbeit habe ich auch eine Menge Künstler*innen getroffen, die ich persönlich schätze und es wäre gelogen, sagte ich, dass ich nicht traurig um diesen Verlust bin. Plötzlich fallen eben eine Menge Möglichkeiten weg.
Die Redaktion selbst war eine Gruppe verschiedener Menschen, von denen ich einige besser kennen- und schätzen lernen durfte. Zwar verschwindet das Heft, nicht aber die Kontakte zu einer Handvoll toller Frauen, mit denen ich monatlich gern gearbeitet habe. Beim Tippen dieser Zeile merke ich, dass ich ein bisschen pathetisch werde, aber ich hab eben auch nicht damit gerechnet, mich mir nichts dir nichts von einem so wunderbaren Arbeitsumfeld verabschieden zu müssen, im Endeffekt hat das aber niemand.

Prinzipien

Nur weil Sarah nicht mehr Chefredakteurin ist, könnte man ja trotzdem weitermachen. Allerdings habe ich meine Prinzipien und würde es als Fußtritt empfinden, denn ich habe stets mitbekommen, wie viel Herzblut Sarah in den ZeitPunkt gesteckt hat. Wegen ihren Vorstellungen ist das Magazin so geworden, wie man es kannte und die Vorkommnisse kann ich einfach nicht unterstützen. So geht es auch dem Rest der Redaktion. Keine*r der freien Mitarbeiter*innen hat noch Lust.

RANT RANT RANT

Dieser Artikel sollte eigentlich vor der Dezember-Ausgabe erscheinen, das habe ich leider nicht geschafft. Den Weg bergab bekommt man ja schon seit geraumer Zeit auf der Facebook-Seite mit. „Warum postet ZeitPunkt eigentlich immer so hässliche Bilder“ fragte eine Freundin neulich. Tjoa.
Einfach aus Neugierde klickte ich dann durch das neue Heft und war ziemlich frustriert. Mir war klar, dass ohne eine sich kümmernde Chefredakteurin und natürlich auch ohne Redaktion nicht mehr viel dabei rumkommen würde. Dass schon mit dem ersten Satz des Editorials, wenn man es so nennen mag, die neue Richtung erkenntlich wird, hat mich dann aber doch überrascht. Meiner Meinung nach klingt der Leitartikel lieblos zusammengeschustert: „Wir bekommen gegen unseren Willen einen neuen Weltpräsidenten und die Erde dreht sich trotzdem weiter“ scheint eher von einer Truther-Seite abgetippt. Mit einem Kulturmagazin und dessen politischer Linie hat das nichts mehr zu tun. Wie auch, wenn sich ein Werbeartikel an den nächsten reiht. Der große öffentliche Toiletten-Check samt Fotos? Toll, das interessiert die Zielgruppe sicher brennend.

EDIT: Ich wurde nach ein paar Argumenten gefragt, warum das Heft nun ohne Chefredakteurin und Redaktion schlechter sei. Natürlich liegt das immer im Auge der Leser*innen. Meine Position zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ZP in erster Linie anders wird. Die Komponente schlechter zeigt sich vor allem im Vergleich mit den Vorgänger-Ausgaben. Allein das Cover entspricht nicht der gewohnten Aufmachung. Die Linie der lieblosen Facebook-Posts der Seite zieht sich nun auch durchs Heft. Jeden Monat wurde über ein neues Konzept beraten und überlegt, was unsere Zielgruppe, also junge, kritische und Kultur-interessierte Leipziger*innen ansprechen könnte. Dabei wurden einzelne Events vorgestellt, aber auch kritische Nachberichte veröffentlicht, die eben auch mal negative Aspekte in den Fokus nahmen. Allen Artikeln gemein war die Aufarbeitung und Authentizität, denn niemand berichtete von irgendwas, ohne dort gewesen zu sein. Im aktuellen Heft gibt es stattdessen viel mehr Anzeigen als lange redaktionelle Beiträge – die Werbung hat stark zugenommen. Wenn sich niemand mehr die Mühe macht, an Stories zu arbeiten, muss eben auf Pressetexte zurückgegriffen werden. Wahrscheinlich lässt sich somit auch erklären, warum das neue Heft nun acht Seiten kürzer ist. Die weit im Voraus eingereichten und erst später veröffentlichten Artikel von ehemaligen Redakteur*innen, aber auch Blogger-Beiträge stechen dabei raus.

Hallo Blogger? Lol!

Dadurch dass jetzt eine ganze Redaktion fehlt, muss sich natürlich nach neuen Autor*innen umgeschaut werden. Auf der letzten Seite im Heft ist ein kleiner Aufruf zu lesen. Dem kann man natürlich nachgehen, weil gedruckt werden und so, allerdings bringt auch der coolste Artikel in einem lauwarmen Magazin nichts. Darüber hinaus war es stets die Regel, dass alle Artikel für das Heft geschrieben wurden, schließlich haben wir uns Monat für Monat zusammengesetzt und ein Konzept besprochen. Bereits erschienener Content soll nun im ZeitPunkt erscheinen, damit überhaupt was drinsteht? Okay.

Letztlich kann das jede*r selbst entscheiden, aber ich persönlich publiziere eben lieber da, wo ich auch dahinterstehe. So verhielt es sich ja auch anderthalb Jahre lang. Schade, dass jetzt so ein abruptes Ende kam.

Übrigens: Alle alten Ausgaben kann man noch als E-Paper vorfinden.

4 Comments

  • Insider_AV sagt:

    Schon als der Verlag den Zeitpunkt neu aufgelegt hat, hätte man stutzig sein sollen… die Geschäftsführer haben bekannterweise nix für Kultur übrig, vor allem nicht für Unternehmenskultur. Sie streicheln stattdessen den Werbekunden aus der Technik- und Unterhaltungsbranche den Bauch und drehen jeden Cent dreimal um, was vor allem die Redaktionen im Tagesgeschäft zu spüren bekommen. Digitalen Medien hat dieses nach außen moderne Haus bisher nicht wirklich verstanden. Anstelle von Kompetenz wird auf ein Bataillon von Lehrlingen, Praktikanten und Volontären gesetzt, die sich in der Regel höchstens gegenseitig etwas beibringen können und genauso kostengünstig in der Anschaffung wie in der Abschaffung sind. Wenn die Arbeit der Redaktion dann durch Pressemitteilungen und „externe Dienstleister“ ersetzt wird, ist das kaum überraschend. Es bestätigt lediglich den Anfangsverdacht.

    • Nhi Le sagt:

      Wow! Danke für diesen Kommentar, lieber Insider.
      Ich muss sagen, dass deine Schilderung mit dem übereinstimmt, was mir andere erzählt haben und ich weitestgehend selbst mitbekam.
      Den ZeitPunkt unter Sarah als Chefredakteurin habe ich immer als eine Art „Enklave“ empfunden.

  • Lana sagt:

    Hm, ehrlich gesagt war ich als Lerserin eher erstaunt das der ZP nicht schon eher platt war. Es gab in dem ganzen Magazin für mich keinen roten Faden. Die feministischen Themen gingen leider auch unter. Und man muss auch immer dazu sagen, dass sich ein kostenloses Magazin nur durch Anzeigen selbst tragen kann. Egal ob in der Redaktion nur Volontäre sitzen …

    • Nhi Le sagt:

      Oh, okay! Der Unterscheid ist, dass wir die Themen ja zusammen beschlossen haben und das immer recherchiert wurde und es jetzt eben nicht mehr so ist. Mich würde ja interessieren, ob das Leuten mittlerweile aufgefallen ist.

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