Ich stehe in der Mensa und schaue mir das Tagesgericht an. „Thailand“ ruft der Typ hinter der Theke und ich schaue ihn entgeistert an. „Nein“ sage ich in einem ungläubigen Ton und ziehe die Augenbraue hoch. „Boah ich hätte schwören können du bist von da. China, oder?“ macht er weiter und faselt noch was von meinen Wurzeln, doch ich esse lieber woanders.

m Alltag passiert es mir nicht gar zu oft, dass ich auf mein „andersartiges Aussehen“ angesprochen werde. Ich möchte mich auch nicht über Alltagsrassismus echauffieren (ein  bisschen vielleicht), denn es ist mein Anliegen heute zu schreiben, dass ich dafür plädiere Menschen als Menschen zu sehen und sie nicht gleich bei der ersten Begegnug in irgendeine geografische Richtung einzuordnen.
Die folgenden Beispiele sind mir allesamt schon passiert und sollen das Problem illustrieren.
Manchmal ist es nämlich so: Ich komme irgendwo hin und werde gefragt, wo ich denn herkommen würde. Aus Südthüringen antworte ich dann, doch dann kommt meistens:
„Nee, ich meine wo sind deine Wurzeln?!“
Recht nett klingt das ja noch, denn auch die Sorte „Ich nenne jetzt mal alle asiatischen Länder, die ich kenne – also Japan, China und Thailand und aus irgendeinem dieser Länder kommst du ja sicher“ ist mir schon begegnet.
Neben den Wurzelfrager_innen gibt es auch noch die „Ehhh – und deine Eltern jetzt so???“ Menschen. Allesamt vereint eine Vorgehensweise, wenn sie mich treffen: Sie sehen in mir ein exotisches Mädchen, das wahlweise außergewöhnlich gut Deutsch spricht oder eben eine kleine Ausländerin, die aber ganz gut integriert scheint.
Ich definiere mich nicht über den Ort, an dem ich geboren wurde und auch nicht über jenen, aus dem meine Eltern stammen. Was mich nervt ist:
1) Dass Menschen anscheinend davon ausgehen, dass ich gar nicht Deutsch sein kann, da ich ja anders aussehe und somit setzen sie Dinge voraus, wie gebrochene Aussprache oder „kulturelle Andersartigkeit“
und
2) Dass einige mich nicht als Person kennenlernen, sondern als exotische Oberfläche.
Vielleicht wird es deutlicher, wenn ich behaupte, dass beim Zusammentreffen zwei kaukasicher, ja eben weißer Menschen so etwas nicht zustande kommt, als wenn eine schwarze oder asiatische Person kennengelernt wird.
Klar, das ist nicht immer so, aber ich will als Nhi begriffen werden und nicht als asiatisches Mädchen. Es wird doch nicht so schwer sein, einen Menschen kennenzulernen, ohne nach seinem Aussehen zu urteilen. Das klingt nach einer schwammigen Phrase und ist übertragbar auf andere Äußerlichkeiten wie Gewicht, Haarfarbe usw.
Tatsächlich glaube ich aber, dass es in gewisserweise diskriminierend ist, wenn eine kaukasische Person davon ausgeht, dass ich schlecht Deutsch spreche oder wenn sie meint, mich anders behandeln zu müssen, nur weil meine Eltern aus Vietnam sind.
Einen Menschen als solchen zu begreifen scheint für einige immernoch schwer zu sein. Schwer für die Frau, die in der Bahn neben mir sitzt und davon anfängt, wie sie mal ein chinesisches Austauschkind betreut hat und auch schwer für den Mann auf der Buchmesse, der mir unbedingt erzählen wollte, wie schön sein letzter Urlaub in Laos war und mir danach noch Kalender mit vietnamesischen Landschaftsmotiven verkaufen wollte.
Was bringt es bei einer Unterhaltung, einem Zusammentreffen und all dem was dazu gehört nach dem Aussehen zu gehen? Treffe ich eine Person mit gefärbtem Haar, dann empfehle ich doch auch nicht die Haarkur für Glanz und Coloration (um es jetzt mal runterzubrechen).
Also bitte – mein Name ist Nhi und wenn wir uns kennenlernen sollten, dann thematisiere mein Äußeres nur dann, wenn mir Schnittlauch zwischen den Zähnen hängt – danke.

20 Comments

  • Lina sagt:

    Oh man, ich glaube ich kann das Problem gar nicht richtig "verstehen" – obwohl ich es natürlich schon nachvollziehen kann. Aber mir passiert sowas einfach nicht – deswegen kann ich glaub ich nur erahnen, wie anstrengend es sein muss, ständig auf sein "exotisches" Aussehen reduziert zu werden. Von Menschen, die sich ihres Fehlers gar nicht bewusst sind. Und über Alltagsrassismus soll/kann/darf man sich immer aufregen – aber ich verstehe, dass es irgendwann ermüdend ist.

    • JP sagt:

      Stell dich mal vor, du sitzt im Strassenbahn in Deutschland, die Leute gucken dich schräg an aber eine nette Oma setzt sich neben dir und fragt leise: „Du bist ein Ossi, oder? Keine Sorge, wir sind nette Menschen hier. Wir sind halt in Deutschland und wir haben die Demokratie“.
      Der Beispiel Ostdeutschland ist interessant. Als Ausländer wohnend dort stellte ich mich viele Fragen. Die Leute denken, daß deutsch-sein eine Selbstverständlichkeit sei. Für viele Wessis sind aber die Ossis keine Deutsche in dem Sinne. Nur Ossis halt. Wenn diese Leute die Erfahrung der Ausgrenzung machen würden, dann kämen wir ein Schritt näher.

  • Nhi Le sagt:

    Hallo Lina!Ich finde es aber super, dass du trotzdem kommentierst und auch "zugibst", dass es du es nicht zu 100% nachvollziehen kannst. Das ist besser als zu "fachsimpeln" wie es ab und zu passiert.Danke für deinen unterstützenden Worte!

  • Artea sagt:

    Das erinnert mich sehr an einen Abend vor einigen Monaten… ich war mit meiner Freundin in einer Kneipe, sie hat ihren Bachlor Abschluss gefeiert. Irgendwann zu später Stunde quatschten mich ein paar Typen an: "Hey, deine Freundin… die ist doch bestimmt Türkin, oder?" Ich: "Eh… was? Sie kommt aus Deutschland"Typ: "Na, die Eltern sind doch bestimmt aus der Türkei, oder? Komm, sag mal, wir haben ne Wette am laufen"Ich: "Keine Ahnung, ich hab sie nie gefragt… war mir auch egal"Später sind sie dann zu ihr und haben gefragt, wo sie herkommt. Sie: "Aus Deutschland. Hier, in Frankfurt geboren."Darauf folgten dumme Gesichter. Ich meine, wie kann man so penetrant und doof sein?

  • Nhi Le sagt:

    Sehr passendes Beispiel, liebe Artrea!Das mit der Wette hört sich richtig typisch an und ist wohl mehr, als nur ein Geografie-Ratespiel.Ich danke dir, für dieses Beispiel, das perfekt zum Thema passt, obgleich es auch sehr traurig ist.Liebe Grüße!

  • Nhi Le sagt:

    Oh mein Gott, das ist so lustig c: Danke Lina!

  • patrick sagt:

    Ich gestehe, ich beurteile Menschen die ich nicht kenne auch nach ihrem Aussehen. Wonach auch sonst, weil ich kenne sie ja nicht? Und ja die Wurzelfrage würde mir bestimmt auch raus rutschen, auch wenn ich schon gut verstehe was dich daran nervt. Böse gemeint wäre es bestimmt nicht. Wenn ich jemanden kennenlerne versuche ich ja 1. etwas über die Person zu erfahren und 2. Gemeinsamkeiten zu finden. Das geht am einfachsten eben über z.B. Aussehen, Kleidung oder Sprache. Und gewisse populationsgenetische Merkmale sind nun mal klischeehaft für bestimmte Länder und in den meisten Situationen wird es zur 'Wurzelfrage' vermutlich auch eine passende Antwort geben. Was einfach an der aktuellen Demografie in DE liegt und sich in Zukunft ändern wird. Aus solchen Vermutungen eine Ungleichbehandlung abzuleiten finde ich aber übertrieben, Menschen lieben nun mal Klischees, egal ob es darum geht sie zu erfüllen oder sie zu brechen. Wenn ich jemanden kennenlerne der Französisch spricht gehe ich auch davon aus das er aus Frankreich kommt, eben weil es mir am wahrscheinlichsten erscheint, genauso gut könnte die Person auch aus Kanada, Deutschland oder Kongo kommen. Aber das erfahre ich ja nicht wenn ich so eine Frage tabuisiere. Also ich stelle mir es schon schwer vor jemanden kennenzulernen ohne solche Merkmale zu beachten.Eigentlich hätte ich am liebsten nicht kommentiert, weil man geschriebenes Wort so leicht in den falschen hals bekommen kann. ich hoffe das passiert hier nicht

  • Wie dich der Typ in der Mensa angesprochen hat, ist nicht akzeptabel. Genau wie er zu dir "Thailand?" sagt, wirft man einem Hund einen Knochen zu. Trotzdem kann man über Äußerlichkeiten erstmal ins Gespräch kommen, zumindest wenn man sonst noch keinen anderen Bezug zueinander hat. Gegen diese Tatsache wirst du nichts tun können. Ob jemand rassistisch ist, oder wirklich Interesse an deiner Person hat, wirst du nur im Gespräch herausfinden. Kommt eben noch darauf an, ob du überhaupt jemanden über die Äußerlichkeiten kennenlernen willst.

  • Nhi, Schwester, wenn ich das so sagen darf, du bist nicht allein! Das ist alltägliches Schicksal nichtweißer Menschen in Deutschland. Die Aggression, die in dieser Frage liegt, wird besonders durch den Verlauf der Diskussion deutlich, wenn man nicht brav antwortet. Gebohrt wird in der Regel so lange, bis das nichtweiße Element im Stammbaum identifiziert wurde. Und wehe, man wagt es, nicht erschöpfend Antwort zu geben.Weiße glauben, dass sie einen Anspruch auf Kategorisierung haben (siehe N-Wort-"Debatte" usw.). Kategorisiert wird durch die Herstellung einer Wir-Die-Dichotomie, was in Ermangelung einer präsenten Farbe "weiß" über die Markierung nichtweißer Menschen geschieht. "Weiß" ist so mächtig und so sehr Strandard, dass die Hautfarbe faktisch unsichtbar ist.Um das Ganze jetzt nicht zu sehr ins Theoretische Abdriften zu lassen, hier lieber ein paar Videos, die die in deinem Posting angesprochene Thematik sehr gut wiedergeben:Shit some white Germans say to Black Germans, Teil 1Shit some white Germans say to Black Germans, Teil 2Understanding Diversity: Where are you from?What kind of Asian are you?Vielleicht noch kurz an Patrick gerichtet: Wenn du nach Gemeinsamkeiten suchst, warum ist es dann erforderlich, vermeintlich Fremdes zu identifizieren? Im Übrigen: Zwanzig Prozent der deutschen Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund.CheersAli (auch aus Leipzig :))

  • "Wo kommst du her?" – "Leipzig." – "Alles klar.""Stehst du auch auf Klettern?" – "Nee, mag eher Basketball.""Hast du das Spiel Deutschland gegen Portugal gesehen?" – "Klar, war echt 'ne tolle Leistung.""Was studierst du?" – "Was mit Medien." – "Aha, und was macht man damit?""Du stehst auf Sternburg? Darf ich dir ein Ur-Krostitzer ausgeben?"Ich habe gern geholfen.

  • Nhi Le sagt:

    Hallo Ali!Erstmal danke für deinen Kommentar, super so – sonst wäre ich gar nicht auf dein Blog aufmerksam geworden.Ich gehe bei deinem Kommentar und der Ausführung mit, wobei ich jetzt schon wieder Leute sagen höre "Not all of them", wenn es um weiße Menschen geht. Danke auch für die Videos.Dieses hier wurde mir oben empfohlen, ich finde es sehr witzig.https://www.youtube.com/watch?v=PMJI1Dw83HcGerade bin ich ganz froh, dass das ein positiver Kommentar ist, bei dem ich mich nicht erklären muss, ganz einfach, weil du ja "verstehst".Liebe Grüße!Nhi auch aus Leipzig c:

  • Anonym sagt:

    Hallo. Ich habe beruflich des öfteren mit Migranten zu tun und muss gestehen, dass ich auch öfter mal nach den "Wurzeln" frage, aber aus Neugier. Dich würde ich auch fragen weil meine Frau aus Indonesien kommt und es vielleicht Schnittpunkte gibt. Allerdings wäre ich freundlich und würde nicht einfach nur Thailand oder so brüllen.

  • Ach, Nhi, das soll nicht deine Sorge sein. Du hast, was sehr wichtig ist, artikuliert, wie du dich fühlst, exotisiert zu werden. Wenn weiße (und somit privilegierte) Menschen ein Problem damit haben, dann können sie sich ja gern selbst feiern. Tun sie sonst auch immer. Lass dir diese Aufgabe nicht auch noch aufbürden!Solltest du noch Fragen zu Literatur o.Ä. haben (z.B. um sie ignoranten Leuten an den Kopf zu hauen), kannst du mir ja gern mal schreiben. Ich helfe gern. :-)Das Video habe ich gestern schon bei Twitter gesehen. Die beiden schönsten Szenen sind einmal die, in der die Frau die Augen groß macht, und einmal die ganz am Ende, als der Typ so geil grinst!

  • Anonym sagt:

    Ich misch mich mal kurz ein: Denkst du wirklich, es ist besser, dann zu sagen: "Ah, meine Frau kommt auch aus Indonesien, kennst du sie vielleicht?!" Einen nicht-weißen Menschen nach seinen "Wurzeln" zu fragen ist deshalb doof, weil man weiße Menschen auch nicht nach ihren Wurzeln fragt. Nur nach dem Äußeren betrachtet würdest du kaum Unterschiede sehen zwischen französischen, englischen, polischen, australischen und kanadischen Touristen, die sich alle in einem Raum befinden mit dem einzigen Deutschen, der aber nicht-weiß aussieht. Du würdest trotzdem noch den Deutschen fragen, woher er kommt. Ob du es freundlich und aus Neugier tust spielt keine Rolle, weil du dich auf "Andersartigkeit" berufst und auf sonst nichts. Deine Intention ist nicht relevant, lass es einfach bleiben.

  • Nhi Le sagt:

    Sehr schöner Kommentar! Danke c:

  • Nhi Le sagt:

    Soweit es keine ausfallenden Kommentare sind, veröffentliche ich alle. Eine Antwort folgt aber nur nach meinem Ermessen.

  • Toller Artikel, Nhi aus dem Internet! Danke

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